Animalisch

Eine Sache habe ich nie ganz verstanden: männliche Aggressivität. Dieses Animalische, das einsetzt, wenn der Typ im Auto nebenan an der Ampel aufs Gaspedal tritt. Oder die Fähigkeit, sich gegenseitig unglaublich aufs Maul zu hauen und sofort im Anschluss ein Bier zusammen zu trinken. Ich komme darauf, weil Claus mit einem blauen Auge in der Bar aufkreuzte. Ich sollte vorher erwähnen, dass Claus seine Brüste inzwischen weitgehend im Griff hat. Er lässt sich die beiden gelegentlich von einer Kosmetikerin durchkneten, die das Ganze Lymphdrainage nennt und ein Heidengeld dafür verlangt. In Wahrheit empfängt sie Claus nur, damit sie sich anschließend mit ihren Kolleginnen darüber lustig machen kann. Jedenfalls, Brüste und ein blaues Auge, bei der Kombination hatte ich sofort ein ungutes Gefühl.

Manchmal braucht es Prügel

„Ach, es ist nichts“, sagte Claus und machte eine Handbewegung, als sei das Ding nur ein Kratzer und kein unterirdischer Blutsee von der Größe eines mittleren Steaks. „Nur eine Diskussion unter Männern.“

„Worüber genau habt ihr diskutiert?“, wollte ich wissen. Wahrscheinlich war Claus der Kosmetikerin auf die Pelle gerückt. Dafür hatte ihm der Sicherheitsmann dann die Hausordnung vorgelesen.

„Fußball“, sagte Claus und schwieg auf die Art, die weitere Kommentare verbietet. Ich versuchte, mir das Szenario auszumalen. Leidenschaftlicher BVB-Fan (Claus) trifft leidenschaftlichen Schalke-Fan (Mann mit sehr großer Faust), nun ja, manchmal müssen Diskussionen wohl wirklich zu Ende gebracht werden.

Paula will kein weiches Wischiwaschi

Sehr vorsichtig fragte ich: „Und, seid ihr jetzt wieder Freunde?“ Claus sah mich an, als hätte ich ihm vorgeschlagen, gemeinsam einen Eimer Spülwasser zu trinken. „Bist Du plemplem“, sagte er. „Wir waren nie keine Freunde.“ Natürlich.

Der einzige Moment übrigens, in dem ich männliche Aggressivität vollkommen verstehe, ist beim Vögeln. Wenn ich weiches Wischiwaschi haben will, ziehe ich eine Frau aus. Ein Mann ist keine Frau, was übrigens das Beste an Männern ist.

"Bitte weinen Sie nicht!"

Als ich meine post-klösterliche Abstinenz in der vergangenen Woche brach, geriet ich ausgerechnet an einen Mann, der die Sache mit der männlichen Aggressivität, ja, mit dem Mann sein an sich in seiner Gesamtheit nicht verstanden hat. Ich kannte ihn schon länger aus der Ferne, er war ein dicker Fisch, eine große Nummer, ein Berufs-Souverän. Doch kaum hatte ich ihn entkleidet, fiel das ganze Gehabe von ihm ab wie eine schlecht sitzende Verkleidung. Er krümmte sich unter meinen Händen und winselte und wisperte und als er dann kam, stahl sich eine Träne aus seinem Augenwinkel und er sagte fast beschämt: „Du-hu, ich komme jetzt, ja?“

Sie dürfen sich meine Enttäuschung gerne vorstellen. Aber bitte, weinen Sie nicht.

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